Das Buch von Gerhard Schmidt kann man nur mit allergrößter Beklemmung lesen: Es konfrontiert den Leser mit der fatalen Bedenkenlosigkeit, mit der Ärzte als «Gutachter» psychisch Kranke als lebensunwert beurteilt und dadurch deren Tötung bewirkt haben.
Ebenso beklemmend ist, dass es 20 Jahre dauerte, bis das Buch publiziert werden konnte – auch das ein Ausdruck für den Unwillen der Gesellschaft, sich mit den dunklen Abgründen der eigenen Person auseinanderzusetzen. Prestige, Macht, Geltung, Karriere waren und sind so verführerisch, weil sie die eigene Schwäche und Verletzlichkeit kaschieren. Hinter dieser tückischen Camouflage steckt letztlich die Abwehr eigener Unzulänglichkeit und Schwäche, die auf den anderen, der als krank, minderwertig und lebensunwert deklariert wird, projiziert und dort stellvertretend verfolgt und vernichtet wird.
Die Begründung für die Absagen von Verlagen und das Abraten von «seelendummen» Professoren war oftmals die Sorge, dass durch die Veröffentlichung das Bild des Psychiaters bzw. Arztes im In- und Ausland diskreditiert würde. Es ist dem Herausgeber und der DGPPN zu danken, eine Neuausgabe dieses eindrucksvollen und bewegenden Buches gefördert zu haben.
Denn es ist Anstoß für die jetzige und zukünftige Ärztegeneration, zur radikalen Selbstreflexion und daraus erwachsender Übernahme menschlicher und ärztlicher Verantwortung für das Leben anzuregen.
Christian Eggers, Essen